In Abwasserproben der vergangenen Wochen aus Hamburg, München und den nordrhein-westfälischen Städten Köln und Bonn sind Schluckimpfstoff-abgeleitete Polioviren Typ 2 nachgewiesen worden. Das Risiko, sich anzustecken ist weiter gering, das NRW-Gesundheitsministerium rät aber, den Impfschutz zu prüfen.
Das hat das Robert Koch-Institut (RKI) in seinem aktuellen Epidemiologischen Bulletin bekanntgegeben. Die Nachweise erfolgten im Rahmen eines Forschungsprojektes des RKI, bei dem Abwasserproben aus verschiedenen Kläranlagen in Deutschland entnommen und auf Polioviren untersucht werden. Die Abwasserproben aus Köln und Bonn wurden in der 46. Kalenderwoche entnommen. Mit den vier Nachweisen sind erstmals zirkulierende Polioviren (Circulating vaccine-derived poliovirus, cVDPV) im Abwasser in Deutschland gefunden worden.
Polioviren sind Auslöser der sogenannten „Kinderlähmung“ und werden vor allem über Schmierinfektionen (Stuhl-Hand-Mund) übertragen. Das Risiko, sich mit Polio zu infizieren, ist trotz des Nachweises im Abwasser auch weiterhin äußerst gering. Der letzte Polio-Fall in Deutschland wurde im Jahr 1990 registriert. Aktuell sind keine Polio-Erkrankungen oder Polioverdachtsfälle im ganzen Bundesgebiet bekannt. Der Großteil der nordrhein-westfälischen Bevölkerung ist vollständig geimpft und damit bestmöglich gegen die Erkrankung an Polio geschützt. So lag die Durchimpfungsrate bei der Schuleingangsuntersuchung im Jahr 2023 bei 96,1 Prozent.
„Die Nachweise von Polioviren im Abwasser zeigen, dass unsere Frühwarnsysteme offenbar immer besser funktionieren. Sie ermöglichen es allen Akteurinnen und Akteuren im Gesundheitssystem, aktuell nochmal ein besonderes Augenmerk auf mögliche Anzeichen für Polioinfektionen zu legen. Beunruhigen müssen uns die Nachweise von Polioviren im Abwasser jedoch nicht: Wir haben eine Impfung; die sehr gut gegen die Erkrankung an Polio schützt und eine hohe Impfquote der Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen. Aufgrund der Abwasser-Nachweise sollte jeder einmal in seinen gelben Impfausweis schauen und im Zweifelsfall mit seiner Hausärztin oder seinem Hausarzt darüber reden, ob der eigene Impfstatus oder auch der Impfstatus der Kinder nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) vollständig ist.“
- Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann.
Wie eine vollständige Polio-Impfung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene aussieht, erklärt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) auf ihrer Website. Aufgrund des Übertragungswegs gilt gerade bei Polio-Viren: Gründliches Händewaschen ist eine einfache und wirksame Maßnahme, um die Ansteckung und Verbreitung zu verringern.
Durch Impfkampagnen konnten die Poliofälle weltweit um mehr als 99 Prozent reduziert werden. In Deutschland gilt Polio seit Jahrzehnten als ausgerottet. Grundsätzlich gibt es zwei Impfstoffarten für Polio: Den Lebendimpfstoff zum Schlucken („Schluckimpfung“), der seit 1998 in Deutschland nicht mehr verwendet wird, und einen Totimpfstoff zum Spritzen. In außereuropäischen Ländern werden zum Teil weiterhin Polio-Schluckimpfungen verwendet. Bei einer Schluckimpfung können abgeschwächte Impfviren mit dem Stuhl ausgeschieden und durch Schmierinfektion auf andere Personen übertragen werden. Wenn die Bevölkerung aufgrund zu niedriger Polio-Impfquoten nicht ausreichend geschützt ist, können diese Impfviren über einen längeren Zeitraum zirkulieren und sich in sehr seltenen Fällen dabei genetisch verändern und wieder Erkrankungen hervorrufen. Entsprechende vom Schluckimpfstoff-abgeleitete Polioviren Typ 2 wurden über das Abwasserfrühwarnsystem festgestellt.
Bei Bürgeranfragen wenden Sie sich bitte an: Telefon 0211 855-5.
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